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Nerchau mit Bahren, Cannewitz, Deditz, Denkwitz, Fremdiswalde, Gaudichsroda, Golzern, Gornewitz, Grottewitz, Löbschütz, Schmorditz, Serka, Thümmlitz und Würschwitz
Nerchau ging vor über eintausend Jahren als großzügiges und repräsentatives Geschenk in die Geschichte ein. Otto der II. vermachte das damalige „Niriechua“ im Jahre 974 dem Bistum Merseburg. Als Weichbildrechtsort, ein Abkommen von Bauern und Stadtbürgern, blieb der tausendjährige Ort Jahrhunderte lang in der Größe unverändert. Nur die Anzahl der Gänse vermehrte sich rapide. Jeder Hof in „Gänse-Nerche“ hatte auch mindestens ein Dutzend der Federtiere. Heute sieht man sie nur noch aus Bronze gegossen auf dem Gänsemarkt oder in der Kirchstraße. Für weiterhin reges „Geschnatter“ sorgen eingeweihte Amateurfunker. Auf der Deditzhöhe kann man die besten Verbindungen in alle Welt herstellen. Neben der Landwirtschaft gehörte das fundierte Brauereihandwerk zur wichtigen Lebensgrundlage. Nach jahrhundertelangen Bemühungen bekommt Nerchau Anfang des 19. Jahrhunderts endlich das Marktrecht zugesprochen. Die Kleinstadt entwickelt sich. An der Mulde siedelten sich zahlreiche Fabrikanten und Handwerker an. Die Industrie in Nerchau brachte Fotoalben, Porzellan-Dekor, Zucker tüten oder Öfen hervor. Vor allem aber machten die Farben und Lacke das Städtchen berühmt. So entwickelte man in der Farbenfabrik auch das geschätzte „Nerchauer Weiß“, welches dem „Blauen Wunder“ in Dresden die Grundlage gab. Papier wird noch immer in Golzern gestanzt, auch fast 200 Jahren später mischt man heute noch Künstlerfarben zusammen und in der Brauerei werden seit Kurzem wieder Flaschen befüllt. Als liebenswerter Wohnort sichert das Kleinzentrum die Grundversorgung ab. Ob Kindereinrichtungen, Grundschule, Begegnungszentren für Kultur, Jugend, Senioren und Sport oder wichtige Handelseinrichtungen – Nerchau behauptet sich als charmanter, geselliger und lebendiger Ort.
Zeittafel zur Geschichte von Nerchau und Umgebung
- 974 Ersterwähnung in der Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg.
- 991 Erzbischof Giselher gab Nerchau im Tausch gegen das Dorf Pausitz an einen Grafen Bicelin, was König Otto III. bestätigte.
- 997 Burgward wird erstmals genannt.
- 1231 Magdeburg verkauft Burgward „Nerechowe“ an das Bistum Naumburg. In diese Epoche werden die ältesten Teile der Kirche im frühgotischen Baustil und einen Turm mit Satteldach eingeordnet. Der heutige achteckige Turm mit schiefergedeckter Haube wurde erst im 18. Jahrhundert aufgesetzt. Ein spätgotischer Chor wurde Anfang des 16. Jahrhunderts angebaut.
- 1282 Nerchau als Städtchen (Oppidum) erstmals in einer Urkunde genannt.
- 1304 „Konrad von Nerchau“ taucht als Ordensbruder in Zschillen (Wechselburg) auf.
- 1378 Cannewitz erstmals urkundlich erwähnt.
- 1421 Ein feudales Geschlecht von Limpach auf dem Frei- oder Burggut (Kirchstraße 13) wird genannt.
- 1429 Bei Nerchau überschreitet ein Taboriten-Heer die Mulde und zieht bis vor Leipzig. 1523 Der Ort wird ein Teil der Herrschaft von Mutzschen. 1529 Erste Evangelische Visitation, das Kirchspiel „Nercho“ umfaßt folgende Ortschaften: Nercho mit 31 Einwohnern (Begüterten); Gornewitz mit 2 Pferdnern und 3 Gärtnern; Werschwitz mit 4 Pferdnern und 5 Gärtnern; Schmardowitz mit 6 Pferdnern und 4 Gärtnern; Grotowitz mit 6 Pferdnern und 1 Gärtner; Cannewitz mit 6 Pferdnern und 10 Gärtnern; Denckwitz mit 4 Pferdnern und 6 Gärtnern; Wagewitz mit 8 Pferdnern und 7 Gärtnern; Serckau mit 2 Pferdnern und 2 Gärtnern; Lobschitz mit 4 Pferdnern und 2 Gärtnern; Tymlitz mit 3 Pferdnern und 2 Gärtnern; Zcoede mit 7 Pferdnern.
- 1534 Nerchau wird zu Trebsen gehörig genannt, wo es über 300 Jahre verbleibt.
- 1547 bis 1549 „Bierkrieg“ mit Grimma um das Exportrecht des Nerchauer Bieres „Pumpernickel“
- 1551 In der Stadt gibt es nach dem Steuerregister 31 „bessere Mannen“ mit Haus, Hof und Feld sowie 4 „Häusler“ – nicht voll berechtigte Hausbesitzer. 1568 Pfarrhaus neu erbaut.
- 1574 Furtwiese in der Nerchauer Muldenaue erstmals erwähnt.
- 1575 Todesfälle durch die Pest
- 1612 Die Kirche in Cannewitz (14. Jahrhundert) erhält eine reich geschmückte Kanzel aus Elbsandstein.
- 1618 Älteste handschriftliche Urkunde im Pfarrarchiv. Erste Erwähnung des „Küchenteiches“ im Wiesental. Es wird von 600 Einwohnern berichtet. 1648 Am Ende des Dreißigjährigen Krieges zählt die Stadt nur noch 300 Einwohner, von 60 Häusern sind noch 10 erhalten.
- 1649 Fährmann Abraham Brodkorb baut sein Haus wieder auf, nachdem es bei dem „bösen Kriegswall“ in Schutt und Asche gelegt worden war.
- 1651 Brand im Pfarrhaus, wertvolle Bücher vernichtet.
- 1662 Die im Kern gotische Kirche in Cannewitz wurde verändert.
- 1705 Schweres Schneeunwetter im Mai, Schwalben und Störche fielen tot zu Boden.
- 1719 Gesuch um die Abhaltung von Jahrmärkten.
- 1729 Zollstelle – „Geleitstelle“ – am Saumarkt erwähnt. Zuletzt befand sich hier der „Gasthof und Kolonialwarenhandlung“ Birnbaum.
- 1752 Alte Schule erbaut (am Kirchberg).
- 1782 Feuer durch Blitzschlag in „des Perdners Christian Kahles Gut“ 4 Häuser brannten nieder.
- 1796 Blitzschlag in den Kirchturm.
- 1800 Pfarrhaus neu erbaut, im Erdgeschoß heute noch teilweise Kreuzgewölbe. 1802 Fährhaus Wednig erbaut, bis dahin wurde die Fähre von Nerchau aus betrieben.
- 1803 Es werden 443 Einwohner gezählt.
- 1806 14 Häuser abgebrannt, 5 Jahre später weitere 23 Häuser.
- 1807 Nerchau erhält Stadt- und Marktrecht.
- 1808 In Schmorditz werden 7 Güter und 1 Haus Raub der Flammen.
- 1810 Diakonat, das heutige Kantorat, erbaut.
- 1813 Kosaken lagern auf den Muldenwiesen und in der Stadt. Quartiere und Kontributionen (Kriegssteuern) werden ge- fordert. Die nahe Muldenfurt wird benutzt zum Weiterritt nach Leipzig (zur Völkerschlacht).
- 1815 Von einer großen „Wassernot“ wird berichtet (Überschwemmung).
- 1832 581 Einwohner.
- 1843 Wird von einem Gesangverein berichtet.
- 1868 Furchtbarer Wirbelsturm deckt fast alle Dächer ab.
- 1873 Erster beamteter Bürgermeister: Bäckermeister Friedrich Ferdinand König.
- 1873 Erhebliche Umbauarbeiten an der Kirche, Vorhalle angebaut.
- 1877 Muldentalbahn Wurzen-Glauchau eingeweiht, Nerchau hat weder Bahnhof noch Haltestelle im Ort.
- Nach Annahme der revidierten Gemeindeordnung von 1857 folgten die Fabrikgründungen: 1887 Papierfabrik, 1891 Farbwerke (Die beiden Firmen existieren heute noch), 1893 Ofenfabrik, 1904 Buchbinder, Goldschnittmacher und Drechsler
- 1880 Gründungsjahr der Feuerwehr.
- 1882 Brückenwaage (Wiegehäuschen) auf dem Marktplatz neben dem Stadtbrunnen aufgestellt.
- 1882 Schützenheim gegründet.
- 1883 Spritzenhaus mit Arrestzelle vom Markt entfernt.
- 1883 Einführung der Krankenversicherung.
- 1886 Schulneubau (Schulstraße).
- 1888 Schmalspurbahnstrecke Neichen-Wermsdorf mit Haltestelle Nerchau-Gornewitz in Betrieb genommen (bis 1968).
- 1889 Einführung der Invaliden- und Altersversicherung.
- 1890 1649 Einwohner, 227 Häuser.
- 1891 Gründung einer Sparkasse (im Stadthaus).
- 1892 Beamtenschule eröffnet.
- 1896 „Clarastift“ als „Kinderbewahranstalt“ (Kindergarten) fertiggestellt. Heute Sozialstation, Gornewitzer Straße 30.
- 1893 Im Stadtgebiet sind 109 Brunnen in Betrieb.
- 1893 Badeanstalt (Badehaus), Treppe und Holzstege vom Schwimmverein errichtet.
- 1895 Turnverein „Eintracht“ gegründet.
- 1897 Verheerendes Hochwasser, Badeanstalt weggerissen.
- 1897 Postamt erbaut.
- 1900 Beginn des Baues von Abwasserschleusen.
- 1901 Radfahrverein „Wanderlust“ gegründet.
- 1902 Nerchau hat 2.078 Einwohner.
- 1904 Bau der Gasanstalt.
- 1905 Bau der Turnhalle.
- 1907 Arbeiterrad- und Kraftradbund „Solidarität“ gegründet.
- 1909 Bau des Wasserwerkes und Verlegung der Wasserleitungen.
- 1909 Grottewitz hat 68 Einwohner. Golzern hat 539 Einwohner sowie einen Turnverein. Gornewitz hat 103 Einwohner sowie eine Jagdgenossenschaft.
- Deditz hat 96 Einwohner und zusammen mit Grottewitz eine Jagdgenossenschaft. Denkwitz hat 100 Einwohner, zusammen mit Gornewitz eine Jagdgenossenschaft. Canne- witz hat 417 Einwohner sowie einen Gesang- und Militärverein. Bahren hat 275 Einwohner sowie eine Jagdgenossenschaft.
- 1910 Trinks Musikchor gegründet.
- 1916 Wannenbad im Wiesental eröffnet.
- 1921 Gefallenen-Ehrenmal im Wiesental eingeweiht.
- 1924 Mandolinen-Club gegründet.
- 1928 In Nerchau bestehen 32 Vereine, von A (Arbeiter-Samariter-Kolonne) bis Z (Züchterverein für Geflügel) und eine Sanitätskolonne. Ferner 10 Betriebe bzw. Fabriken, 9 Bäckereien, 6 Fleischereien, 14 Kolonial- und Materialwarenhandlungen, 11 Töpfereien sowie 11 Gasthöfe und 3 Cafés, sogar 4 Tankstellen.
- 1929 Baubeginn der Sparkasse nach dem Projekt des ansässigen Baurates Hugo Koch als Teil eines geplanten, sich an die Sparkasse anschließenden Verwaltungskomplexes der Stadt.
- 1931 Das Gasthaus „Zur goldenen Sonne“ brennt ab.
- 1938 Gebäude des Kindergartens in der Jahnstraße fertiggestellt.
- 1943 Brände und zahlreiche Gebäudeschäden nach dem Abwurf anglo-amerikanischer Spreng- und Brandbomben.
- 1945 Der Zweite Weltkrieg geht an der Mulde zu Ende. Durch Beschuß amerikanischer Truppen vom Westufer zahlreiche Opfer unter der Bevölkerung, besonders unter Flücht- lingstrecks.
- 1954 Kegelbahn-Anbau an der Turnhalle.
- 1968 Beginn des Autobahnbaues Leipzig-Dresden.
- 1971 Am 5. Oktober wird Autobahnstrecke, mit der 342 m langen und 30 m hohen, in einer Krümmung angelegten Brücke, dem Verkehr übergeben.
- 1974 Nerchau feiert mit einer Festwoche das Jahr seiner Ersterwähnung. Fertigstellung des aus dem ehemaligen Stern- Saal rekonstruierten Kulturhauses.
- 1984 Die Stadt hat 3.200 Einwohner.
- 1994 Durch die Eingemeindung von Fremdiswalde mit Gaudichsroda, Cannewitz mit den Ortsteilen Denkwitz, Thümmlitz, Löbschütz und Serka, sowie Golzern mit Bahren und Deditz, beträgt die Einwohnerzahl 4.400.
- 1998 Eröffnung Haus der Jugend und des Sports am Sportplatz
- 2011 Eingemeindung anch Grimma