Als sich Johann Gottfried Seume am 6. Dezember 1801 auf seinen berühmten „Spaziergang nach Syrakus“ machte, notierte er folgende Zeilen: „ ... am Abhange zeigte sich Göschens herrliche Siedelei, wo wir so oft gruben und pflanzten und jäteten und plauderten und ernteten, und Kartoffeln aßen und Pfirschen...“ Damit setzte der Dichter seinem Freund und einstigen Arbeitgeber Georg Joachim Göschen ein literarisches Denkmal und auch einem Ort, der vielen Literaturfreunden bis heute als romantisches Kleinod gilt. Das „Göschenhaus“ am Stadtrand von Grimma diente dem Verleger und seiner Familie seit 1795 als Sommersitz und wurde gelegentlich zum Treffpunkt der wichtigsten Literaten jener Zeit. Friedrich Schiller war hier ebenso zu Gast wie Veit Hanns Schnorr von Carolsfeld, Christian Gottfried Körner und weitere Schriftsteller. Als Freund der Familie verbrachte Johann Gottfried Seume besonders viel Zeit in dem Sommerhaus, dessen friedliche Abgeschiedenheit über dem Muldetal er sehr schätzte.
Für den erfolgreichen Verleger Göschen war der Kauf der Immobilie offenbar eine besondere Herzenssache. An Christoph Martin Wieland, einen seiner wichtigsten Autoren, schrieb er nach dem Kauf: „Ich glaube, ich habe mir einen Zuwachs an Gesundheit und Leben erkauft in einem artigen Gebäude und einem Garten in einer der schönsten Gegenden der Welt.“ Zu dieser Zeit hatte sich der Kaufmannssohn Georg Joachim Göschen bereits einen Namen unter den deutschsprachigen Verlegern gemacht. Zwischen 1785 und 1791 verlegte er sogar Goethe und Schiller, später wurden vor allem seine Prachtausgaben der Werke von Wieland und Klopstock viel beachtet und bewundert. 1793 baute er neben dem Verlag eine eigene Druckerei in Leipzig auf, wo er erstmals in Sachsen auch mit lateinischen Lettern drucken ließ. Im Gegensatz zu Werken in der üblichen deutschen Frakturschrift waren diese Bücher auch für gebildete Stände im Ausland lesbar. Dank seines unternehmerischen Erfolgs konnte sich Göschen 1795 das Sommerhaus über dem Muldetal kaufen, das Seume später so liebevoll als „Siedelei“ beschrieb. Dem Charme des ländlichen Idylls kann man sich selbst heute nur schwer entziehen, zumal viele originale Stücke das Museum im „Göschenhaus“ zu einem wahren Schatzkästchen machen. Viele Details aus der langjährigen Verbindung zwischen dem Verleger und Seume werden hier sichtbar; das Ambiente jener Jahre lässt den Besucher zwei Jahrhunderte in die Vergangenheit reisen. So ist etwa die frühere „Gartenstube“ als Biedermeierzimmer ausgestaltet, in dem viele Objekte aus dem Besitz der Familie Göschen zu sehen sind und etliche Drucke aus der Druckerei des Verlegers. Ebenfalls sehenswert: das „Kaminzimmer“ mit seiner Deckenbemalung, das auch heute noch einen idealen Rahmen für Kulturveranstaltungen und private Feste bietet.
EINZIGARTIGES GARTENIDYLL
In den Jahren nach dem Kauf verbrachte Verleger Göschen immer mehr Zeit in Grimma, 1797 ließ er sogar seine Druckerei hierher umziehen und wurde dadurch zum größten Arbeitgeber vor Ort. So konnte er sich mit besonderer Hingabe dem Garten widmen, den er ganz nach dem klassizistischen Ideal gestalten ließ. Auf mehr als 4.000 Quadratmetern Fläche ließ Göschen Terrassen ausbauen, einen Pavillon errichten und sorgte sogar für eine Theaterbühne. Auch Johann Gottfried Seume war beeindruckt und schrieb begeistert: „Man wallfahrtet aus Leipzig zu uns, wenn man sich wenigstens eine Idee von der Schönheit der Natur schaffen will…“ So führt also die Zeitreise den Besucher aus dem „Göschenhaus“ heraus und hinein in den Garten. Der gilt als einziger erhaltener klassizistischer Privatgarten Sachsens aus der Zeit um 1800. In den warmen Monaten wird er zum Schauplatz verschiedener Aufführungen und Veranstaltungen, lädt zu Spaziergängen und entspannter Ruhe in der Natur ein. Und auch hier stößt der Flaneur bald auf Spuren Seumes. An dessen Lieblingsplatz erinnern Worte Friedrich Schillers an den Aufbruch nach Syrakus: „Eil, in die Furche der Zeit Gedanken und Thaten zu streun, die, von der Weisheit gesät, still für die Ewigkeit blühn.“