Am 24. Juni 1930 zogen die Spar- und Girokasse Grimma vom Stadthaus am Markt schräg hinüber in ihr neues Gebäude am Markt 13, um bereits am 25. Juni 1930 dort die ersten Kunden zu bedienen. Eine kleine Einweihungsfeier fand am 28. Juni 1930 statt. Dies war der Anlass für die Mitglieder des Vereins „Sparkassenmuseum Muldental e.V.“ genau 90 Jahre später, am 28. Juni 2020 die Sonderausstellung dazu zu eröffnen.
"Können Sie sich vorstellen, dass es vom Beschluss, eine neue Sparkasse zu bauen – über Grundstückskauf, Architektenwettbewerb, Abriss, Bau …. bis zum Bezug der Wohnungen Einzug der Spar- und Girokasse nur 1,5 Jahre gedauert hat?", findet Angelika Elsner vom Sparkassenmuseum einleitende Worte. Die umfangreichen Unterlagen, Zeichnungen und Fotos dazu werden in der Sonderausstellung gezeigt – einschließlich Bauakte, statischen Berechnungen, Kostenvoranschlag, Originalunterschriften u. a. von Hugo Koch. Die Vereinsmitglieder führen durch die Ausstellung und erzählen gern weiteres Wissenswertes. Gelegenheit zum Besuch der Sonderausstellung gibt es mindestens bis Ende Oktober 2020. Bitte vereinbaren Sie einen Termin über Telefon 0151/ 196 412 87, E-Mail muldental@spk-museum.de bzw. nutzen Sie den Hausbriefkasten Markt 13 in Grimma.
Einweihung der Sparkasse Grimma im Jahr 1930
Marktnordseite Ansicht vor 1929Die Nordecke des Marktes in Grimma beherrscht seit 90 Jahren ein hoher, zeitlos schöner Bau. Im späten 18. Jahrhundert bildete sich in Grimma der bürgerliche, gemeinnützige Sparverein, dem auch G. J. Göschen angehörte. Von dem angesammelten Reichtum konnte sich die Sparkasse nach dem 1. Weltkrieg und nachdem die Inflation überstanden war ein attraktives eigenes Haus bauen. Die Welt war völlig verändert: immer häufiger wurden Kraftfahrzeuge genutzt und Elektromotoren eingebaut, das Frauenwahlrecht und der Acht- Stunden-Tag eingeführt. Das Bauwesen wandelte sich grundsätzlich, wenn es auch handwerklich blieb. Es wurde nüchtern und schnörkellos gebaut, für unbegründete Verzierungen fehlten der Sinn und das Geld. Die sehr verschiedenen Baureformen werden als „das neue Bauen“ zusammengefasst, dazu gehören die konsequenten Reformen des „Bauhauses“: Der Architekt der Sparkasse am Markt, Hugo Koch aus Nerchau, war „ein gemäßigter, realitätsbezogener Reformer“. Die bisherigen Verhältnisse in den Räumen des hiesigen Stadthauses waren seit langem beengt. Als Standort für eine Sparkasse kam die nördliche Marktecke in Frage, wenn die auch kein ideales Baugelände war - aber es musste auch im Zentrum sein, denn der Standort wirbt für sich und Geld ist ein besonderes Kulturgut, mit dem äußerlich aufgewertet umzugehen ist. Nach dem Beschluss zu bauen, ging alles unbegreiflich schnell und die Reaktionen waren außerordentlich lebhaft. Es gingen 80 anonyme Bewerbungen ein. Eine redliche Jury entschied sich für den Entwurf von Dr. Hugo Koch. Er hatte zwölf Jahre im Hamburger Hochbauamt verantwortlich gearbeitet und war es gewohnt, sachlich qualifizierte, originelle und sinnvolle Entwürfe zu verwirklichen, die finanziell akzeptabel und gestalterisch meisterlich waren. Letzteres war sein Dresdener Erbe, das er ein- und mitgebracht hatte, denn in der Elbestadt war man schon immer sensibel. Dazu gehört es, mit den örtlich vorkommenden Baustoffen sichtbar zu arbeiten. Das Bekenntnis „Form folgt Funktion" galt für ihn immer, gleich ob er ein Grabdenkmal oder eine Kuranlage schuf. Die Daten scheinen uns unverständlich, waren aber real. Am 10. Januar 1929 wurde der Wettbewerb ausgelobt, am 10. Oktober 1929 der Grundstein gelegt, der Bau am 6. November 1929 gerichtet und am 28. Juni 1930 Einzug gefeiert. Noch vor Beginn des Winters war der Rohbau fertig, so konnte der Ausbau gleich anschließen. Vor dem Baubeginn hatte noch der Abriss zweier wenig attraktiver Häuser gestanden. Es wurde ohne Mischmaschine und Baukran, aber mit einer perfekten Arbeitsorganisation gearbeitet. Der Bau steht einbruchs- und feuersicher auf einer Betonplatte. Im Obergeschoss spielt sich der Publikumsverkehr ab, gegliedert in Spar- und den bargeldlosen Giroverkehr. © Stadt Grimma Eine gewendelte Steintreppe führt dahin. Nur morgens wird das Foyer durch farbige Glasfenster beleuchtet, die der Bauhausmeister Josef Albers für das Leipziger Grassi-Museum entworfen hatte. Im Geschoss darüber fand die interne Arbeit statt. Der Rentabilität halber wurde noch ein Geschoss eingefügt. Die beiden Etagen verfügen über ein separates Treppenhaus - ein sehr durchdachtes Prinzip der Finanzierung, das Hugo Koch bei allen seinen Bauten verwirklichte. Eigentlich wurde der Bau um ein Geschoss zu hoch errichtet, da aber kein Giebel ausgeführt, sondern die Ecke verbrochen wurde, wird der Eindruck deutlich gemildert. Im gleichen Jahr 1930 wurde auch die heutige AOK Grimma in einer ebensolchen Rekordzeit fertig, die in ihrer fertigen Planung noch einmal umgeworfen werden musste. Wenn wir seine Grimmaer mit der DahlenerOrtskrankenkasse vergleichen, fallen die großen gestalterischen Unterschiede auf. Die Gebäude sind mit „Edelputzen“ versehen worden, die noch genauso stehen, wie sie ausgeführt wurden. Dasselbe trifft für die Fenster und Türen zu. Aus sehr naheliegenden Gründen arbeiteten hier vor allem einheimische Betriebe auf der Baustelle. Aus der Zeit gab es aus auch im äußeren Vorraum eine weihende Inschrift in einer eckigen Fraktur. “Spare in der Zeit, so hast Du in der Not.“ Daneben waren mehrere kleine Münzen aus der Bauzeit der Sparkasse aufgeschichtet neben einer großen zu sehen. Lange hielten die Sparkassen an dem Prinzip fest. Weil aber der Faschismus grundsätzlich mit Stumpf und Stiel auszurotten war, die Münzen in der Nazizeit noch kursierten, fiel das einem wachsam eifernden Gralshüter und Eiferer auf und ein Steinmetz musste ran, das Versäumnis zu korrigieren. Die Porphyrplatte mit der Inschrift musste gewechselt, die Münzen zur Unkenntlichkeit verstümmelt werden. Das „Neue Bauen“ war lange Zeit verpönt, der fortschrittliche Mensch kannte Josef Albers nicht, sonst wären wohl die Farbglasscheiben durch Glasbausteine ersetzt worden und die Stadt um ein Detail der Kulturgeschichte ärmer. Werden der Sparkassenbau mit dem gerade 30 Jahre älteren, schräg gegenüberliegenden historistischen Bankbau (Deutsche Bank) verglichen, bemerkt man, was sich in so wenigen Jahren im Bauen selbst in einer kleinen Stadt verändern kann.