Herr Berger, mit der Eröffnung von FAUN Viatec im neuen Industriegebiet am 21. April 2023 hat sich das erste Unternehmen am neuen Standort etabliert. Fällt Ihnen ein Stein vom Herzen?
Sicher. Nicht nur mir, sondern allen, die in den letzten fünf Jahren an dem Gesamtprojekt Industriegebiet Nord III mitgearbeitet haben. Wenn man bedenkt, dass zwischen dem ersten Gespräch zwischen Herrn Schmeh, dem Geschäftsführer von FAUN Viatec, und mir, und der Eröffnung ca. fünf Jahre liegen, ist das zumindest für deutsche Verhältnisse ein sehr kurzer Zeitraum. Ein Bebauungsplan braucht in Deutschland durchschnittlich sieben Jahre für seine Entstehung. Wir haben dagegen, auch dank des Landratsamtes, lediglich zwölf Monate gebraucht. Darauf kann man durchaus stolz sein. Am neuen Standort kann FAUN Viatec seine Produktion verdoppeln, was natürlich auch die Entstehung von zusätzlichen Industriearbeitsplätzen mit sich bringt. Was mich besonders freut, ist der Umstand, dass auch Brennstoffzellenfahrzeuge hier in der Produktion eine große Rolle spielen werden. Damit hat sich modernste Technik in Grimma etabliert.
Auf den ersten Blick wirkt die neue Produktionsstätte von FAUN Viatec schon gigantisch. Dennoch wird dadurch nur ein kleiner Teil des neuen Gewerbegebietes belegt. Wie geht es nun konkret weiter?
Das ist richtig. Nach jetzigem Stand werden auf den restlichen Flächen der ca. 54 Hektar umfassenden Gesamtgewerbegebietsfläche vier weitere Ansiedlungen folgen. Erste vorliegende Planungen sehen vor, dass dafür vier Industriehallen gebaut werden, von denen jede die jetzt vorhandene Halle von FAUN Viatec um ein Vielfaches übertreffen wird. Das sind schon gigantische Ausmaße. Insgesamt gehen wir nach jetzigem Stand davon aus, dass zuzüglich zu den bereits geschaffenen Arbeitsplätzen ungefähr 1.200-1.500 neue Industriearbeitsplätze entstehen könnten.
Gibt es konkrete zeitliche Vorstellungen?
Die gibt es. NewTec im östlichen Bereich des Industriegebietes ist schon mitten im Bau. Die für die Betankung der gewarteten bzw. reparierten Landwirtschaftsgeräte notwendige Betriebstankstelle, die auch für die Öffentlichkeit zugänglich sein wird, befindet sich bereits in der Entstehung. Parallel zur Straße wird dort von NewTec ein großer Gebäudekomplex gebaut. Die Bauzeit dürfte ungefähr ein Jahr betragen. Dahinter, weiter östlich, haben bereits die Bauarbeiten für zwei weitere Industriehallen begonnen. Auch hier dürfte die Bauzeit ungefähr ein Jahr betragen. Westlich der B107 ist davon auszugehen, dass für die dort entstehende große Halle, die bis zu sieben Hektar groß sein könnte, der Bauantrag bis Ende des Jahres gestellt sein wird, so dass mit einem Baustart im Frühjahr nächsten Jahres gerechnet werden könnte. Bedingt durch die Größe des Industriekomplexes ist mit einer Bauzeit von ca. anderthalb Jahren zu rechnen, so dass die Fertigstellung für Ende 2025 zu erwarten ist. Auf dem letzten großen Grundstück westlich der B107 und nördlich der neu zu bauenden Erschließungsstraße ist eine ca. fünf Hektar große Industriehalle im Gespräch, deren Bauantrag aber zeitlich noch nicht fixiert ist.
Durch die Schaffung von so vielen Arbeitsplätzen und der für die Produktion notwendigen Logistik wie Belieferung usw. ist doch mit einem erhöhten Verkehrsaufkommen zu rechnen. Ist dies berücksichtigt?
Hierfür wird im Industriegebiet extra eine Busanbindung geschaffen. Des Weiteren wird durch den Investor ein großer Kreisverkehr an der Anbindung B107-Bahrener Straße - westliche Erschließungsstraße gebaut. Zur Schaffung eines größeren Park-and-Ride-Parkplatzes laufen aktuell Gespräche mit den Grundeigentümern. Die Schaffung der zu erwartenden Industriearbeitsplätze wird Grimma maßgeblich verändern. Ist unsere soziale Infrastruktur hinsichtlich Kitaplätzen, Schulen oder Wohnraum darauf vorbereitet? Natürlich haben wir uns prognostisch Gedanken gemacht. Sollten wirklich zwischen 1.200 und 1.500 neue Arbeitsplätze entstehen, bedeutet dies langfristig vielleicht 400-500 junge Familien, die nach Grimma ziehen. Dies würde unsere soziale Infrastruktur hinsichtlich Kitas und Schulen schon an ihre Belastungsgrenze führen und muss rechtzeitig bedacht werden. Was uns in die Karten spielt, ist der derzeitige Glasfaserausbau im gesamten ländlichen Raum, welcher aktuell auf Hochtouren läuft. Dieser trägt dazu bei, die zahlreichen Baulücken im ländlichen Raum für junge Leute attraktiver zu machen und diese für eine Nachnutzung von perspektivisch freiwerdenden Gehöften zu begeistern.
Woher sollen die vielen Arbeitskräfte denn kommen?
Der größte Teil wird sich sicher nur durch Zuzug generieren lassen. Möglicherweise wird auch der eine oder andere Grimmaer Arbeitgeber um seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kämpfen müssen, um eine Abwanderung in das neue Industriegebiet zu verhindern. Das Lohngefüge in Grimma dürfte sich dadurch schon verändern. Das wird sicher für die eine oder andere Firma eine Herausforderung. Aber die Ansiedlung von Primärindustrie, die dadurch entstehende Wertschöpfung und die Schaffung von hochwertigen Arbeitsplätzen ist zwingend notwendig, um unsere Stadt für die Zukunft zu rüsten und junge Leute nach Grimma zu holen.
Haben Sie Angst, dass es zu einem Leerstand im GGI-Gelände kommt?
Es wird Veränderung geben. Das industrielle Herz Grimmas verlagert sich aus Grimma-Süd nach Norden an die Autobahn, wo es aus meiner Sicht auch hingehört. Langfristig wird sich Grimma dadurch natürlich städtebaulich verändern. Kurzfristig ist jedoch davon auszugehen, dass die gut erhaltene Industriehallenstruktur im GGI-Gelände gerade für Firmen, die sich nur einmieten wollen oder für Startups, einen hervorragenden Standort bietet. Insofern sind wir für alle potentiellen Interessenten in Grimma gut aufgestellt.
Herr Berger, vielen Dank für das Gespräch.