Ein Sturm ist für die meisten Menschen etwas Bedrohliches. Besonders dann, wenn direkt neben dem Haus eine riesige 110 Jahre alte Blaufichte mit Getöse zu Fall kommt und nur um Haaresbreite das Haus verpasst, Für den Leipziger Künstler Dirk Richter sind diese Momente ein Glücksfall. Anstatt den Ofen mit dem Holz zu füttern, nutzt der Skulpteur das Geschenk der Natur und schafft etwas Bleibendes aus dem, was ansonsten nur verbrannt worden oder verrottet wäre. Als im Januar 2018 direkt neben dem Kunstförderverein Schaddelmühle die besagte Blaufichte dem Januarsturm zum Opfer fiel, lieferte sie dem Künstler ausreichend Material für ein weithin sichtbares Werk. Richter machte sich im März 2019, nachdem das Holz gut abgetrocknet war, an die Arbeit und ließ den Baum wieder auferstehen. Zwar erinnert nur noch das Material an die Vergangenheit, dennoch steht die ehemalige Fichte jetzt wieder aufrecht auf dem Gelände der Schaddelmühle und ist weithin sichtbar für Jedermann. Unter dem Titel „Der Spross – Verwandlung eines Fichtenstammes“ hauchte er dem ehemaligen Totholz neues Leben als eine „Windharfe“ ein. In mühevoller Arbeit sägte, schliff und hobelte Richter den Stamm so zurecht, dass er zwar nicht mehr wie ein Baum aussieht und dennoch an einen solchen erinnert. „Bei der Komposition habe ich das Wirken der Naturgesetze mit einbezogen. So werden sich die einzelnen Teile der Skulptur entsprechend den inneren Spannungen im Holz noch verziehen. Die konstruktiven Formverläufe werden also wieder organisch überformt. Das wird sich dann, gleich einer Erinnerung, besonders an den Stellen der ehemaligen Astverzweigungen abzeichnen. Veränderungen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit werden die Biegungen und Spaltbreiten permanent beeinflussen, was dann für den Betrachter immer wieder neu erlebbar wird,“ erläutert Richter seine Arbeit.
In der letzten Augustwoche war es dann soweit. Die Mitarbeiter des Kunstfördervereins Schaddelmühle e.V., zu deren Team seit längerem auch Zuwanderer gehören, bereiteten in einer steilen Hanglage ein tiefes Fundament, das die neue Last auch bei starken Stürmen tragen kann vor und befestigte einen Anker für die Windharfe. Vor dem Aufstellen allerdings strich Richter seine Arbeit mit einer eigens von ihm kolorierten Holzschutzlasur ein, damit das Kunstwerk vor einem allzu schnellen Verfall geschützt ist ein.
Anschließend stellte Dirk Richter zusammen mit den Helfern der Schaddelmühle und deren Leiter Frank Brinkmann das neue Kunstwerk auf. „Die orangene Farbgebung soll die Zeichenhaftigkeit betonen und zu jeder Jahreszeit in der Umgebung einen Akzent setzen“, sagt Dirk Richter und betrachtet zufrieden sein
neuestes Werk. Eine Plastik, die schon in der Herstellungsphase für großes Interesse bei den Besuchern des Kunstfördervereines sorgte und die zu angeregten Gesprächen mit dem Künstler führten. Die Schaddelmühle ist ganzjährig geöffnet und verfügt über einen großen Kunstpark in dem den Besucher Arbeiten von bedeutenden Künstlern erwarten. Wer eine Führung haben möchte, sollte sich jedoch zuvor telefonisch oder per Mail anmelden und einen Termin vereinbaren.