Gästeführer Klaus Büchner© Stadt Grimma
Herr Büchner, Sie waren seit 17 Jahren Stadtführer für die Stadt Grimma. Was hat Sie damals dazu bewegt, den Kurs an der Volkshochschule zu absolvieren, um das Zertifikat als Stadtführer zu machen? Welchen Reiz hatte diese Tätigkeit für Sie?
Es war die Bitte von Frau Holfter, der damaligen Chefin vom Kulturamt und der Stadtinformation. Aber es gab natürlich auch andere Gründe. Meine Dienstzeit von 40 Jahren als Lehrer ging zu Ende und ich war sozusagen frei für neue Aufgaben. Ich hatte jahrelang in der kommunalen Politik mitgearbeitet, als Stadtrat oder als berufener Bürger und hatte dadurch eine Menge Kenntnisse über Grimma. Natürlich war etwas Geld auf die Hand auch ganz schön.
Wie hat es sich angefühlt, als Sie am 3. April 2002 erstmalig fremden Menschen ein Stück Ihrer Heimat nähergebracht haben?
Vor fremden Menschen zu sprechen bin ich gewohnt gewesen, da ich auch als Fachberater in der Lehrerweiterbildung tätig war. Damit war ich also recht gut ausgerüstet. Ich habe außerdem über viele Jahre in der Urania Vorträge über den Gartenbau gehalten. Dann hat es mich gereizt, dass was ich mir angeeignet hatte, den Gästen unserer Stadt näher zu bringen.
Wie haben sich Ihre Führungen im Laufe der Zeit verändert? Was haben Sie in den Jahren alles für Führungen gemacht und welche hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?
In der Lehrerweiterbildung oder in den Vorträgen zum Gartenbau ging es um Informationen, um Fakten. Da war die Thematik sehr konzentriert. Als Stadtführer habe ich gelernt, dass jede Gruppe unterschiedlich ist – sehr, sehr unterschiedlich. Auch die Ansprüche der Gäste an den Gästeführer sind sehr verschieden. Dadurch haben sich die Führungen immer mehr dahingehend entwickelt, dass die Leute fast schon ein Event erwarteten. Die wollten nicht nur Fakten, sondern Geschichten zu den einzelnen Fakten. Das war das Entscheidende. Da schaut man in ihre Augen: Hat man sie mit der Sprechweise gefangen oder unterhalten sie sich untereinander? Auf die Art und Weise hat man sich immer auf die Gruppen eingestellt. Am meisten Spaß hatte ich mit Leuten, die sehr interessiert waren und speziell etwas wissen wollten, bei denen viele Fragen kamen, mitunter die Zeit gar nicht ausreichte und die Führungen dadurch länger wurden als geplant. Eine Gruppe südbrandenburgischer Landfrauen, die als Reisegruppe eigentlich zum Mittagessen unterwegs waren, wollte Geschichten hören. Als das Führungspersonal der Bundeswehr zu Besuch war und etwas über das Hochwasser
und die Maßnahmen wissen wollte, war eine andere Art der Führung gefragt. Hier war auch mein Studium zum Geografie-Lehrer sehr hilfreich.
In den vielen Jahren hatten Sie sicherlich viele schöne, spannende und lustige Momente. Fällt Ihnen spontan ein solches Erlebnis ein, an das Sie sich sofort zurückerinnern?
Es gab viele schöne Momente – das kann ich nur betonen. Mit Tränen in den Augen habe ich diese Tätigkeit aufgeben müssen, weil es körperlich nicht
mehr geht. Ein schöner Moment war eine Führung durch die Gartenhöfe, die ich erstmals angeboten habe. Ich hatte mit 25 bis 30 Personen gerechnet und dann war auf einmal der Markt voll. Da standen 150 bis 200 Personen. Die kleinen Höfe nehmen aber nur 30 Personen auf. So habe ich die Führung an dem einen Tag drei Mal gemacht und trotzdem gab es immer noch Beschwerden, weil ich nicht allen die Führung anbieten konnte. Oder wenn Gruppen kamen, die von der Stadt so angetan waren. Beispielsweise war ich mit einem Kirchenchor in der Klosterkirche und dieser hat gleich angefangen zu singen. Die Akustik ist in der Klosterkirche so gut, dass sie gar nicht aufgehört haben zu singen und das Schiff haben fahren lassen.
Das Besondere ist, dass ich nicht nur diese normalen Stadtführungen gemacht habe, sondern auch Sonderführungen und auch Gästegruppen über mehrere Tage begleitet habe. Diesen habe ich nicht nur Grimma, sondern halb Westsachsen zeigen können. Eine Reisegruppe vom Niederrhein kam drei Tage, um den Osten bzw. Sachsen kennenzulernen. Die Tour „Parks und Schlösser von Thallwitz bis Rochlitz“ war ebenfalls eine sehr interessante Runde. 2013 kam das Hochwasser dazwischen und als wir zurückkamen, war das Hotel in Nimbschen unter Wasser, so dass alle schnell noch ihre Sachen retten wollten. Viel Spaß über viele Jahre hatte ich bei der Sonderführung zum „Dorf und Schloss Döben“ in Verbindung mit dem Heimatverein, regelmäßig von 10 bis 15 Uhr mit Mittag und Kaffee. Die Nachfrage war so groß, dass nur Leute mit einer Karte aus dem Vorverkauf mitgenommen werden konnten. Es kommt auch so unendlich viel von den Gästen zurück. Und das wirkt jetzt noch nach. Ich werde auch heute noch häufig angesprochen. Ein Winzer aus der Pfalz hat nach der Wende Grimma entdeckt und seinen 60. Geburtstag mit all seinen Winzer- und Jagdfreunden in der Region verbracht und ich war drei Tage für diese Gruppe zuständig. Ich erinnere mich da besonders an einen Moment: In der Nähe der Hohburger Berge haben wir einen Platz ausgesucht. Die Winzer
haben dort ihre eigenen Weine vorgestellt und für mich als passioniertem Weintrinker war das natürlich eine wunderschöne Sache.
Es gab auch rein thematische Führungen zur Klosterruine Nimbschen, die oft auch mit Fackeln am Abend illuminiert waren. Da sind besondere Stimmungen aufgekommen – da macht Stadtführer sein Spaß. Es gab auch Führungen zu den Bäumen der Stadt oder den Straßennamen, also alles spezielle Führungen, die mit viel Aufwand vorbereitet wurden. Generell: Ohne eine gründliche Vorbereitung geht so etwas gar nicht. Für mich war auch die LVZ eine ganz
wichtige Quelle, um das aktuelle Geschehen in die Führungen mit einbringen zu können, mit aktuellen News, auf die Gruppe zugeschnitten – also keine
Standartführung, sondern immer wieder spezielle Führungen.
Nach 17 Jahren als Stadtführer kennen Sie die Stadt wie kaum ein Zweiter. Haben Sie in dieser Zeit auch Neues über Ihre Heimat herausgefunden? Gibt es einen Ort, an den Sie immer wieder gern zurückkehren?
Durch meine angebotenen Wanderungen gibt es im Landkreis nur sehr wenige Orte, die ich nicht kenne. Ich habe eines gemerkt: Eine Stadt lebt und entwickelt sich und manches, was in den ersten Führungen gefragt war, hatte in den späteren Führungen keine Relevanz mehr. Daher habe ich die Führungen immer wieder überarbeitet. Ich kehre gerne zum Schloss Döben zurück. Der schöne Ausblick, „guck ins Land“ – mit dem Pavillon im Schlossgarten. Das ist einer der schönsten Orte, die man sich vorstellen kann. Es war eine gute Zusammenarbeit mit der Familie von Below.
Herr Büchner, vielen Dank für das nette Gespräch. Möchten Sie abschließend noch etwas
ergänzen?
Mich erreichte viel Dankbarkeit. Die Gäste haben mir Briefe geschrieben und sich für die individuelle Führung bedankt. Denn in der Tätigkeit als Stadtführer steckt viel Herzblut. Das haben sie gespürt. Dafür nimmt man Strapazen, wie Temperaturen über 30 °C gerne in Kauf. Man musste die Führungen zu der Zeit machen, zu der sie gewünscht waren,selbst bei Dauerregen.
Die Gäste waren sehr unterschiedlich. Unser Oberbürgermeister hat mich oft angefragt, wenn Gäste der Stadt und der Stadtverwaltung zu Besuch waren,
wie zum Beispiel der Landkreis von Bodensee. Etwas Besonderes war der Senat von Leipzig mit Oberbürgermeister Burkhard Jung.