„Das schönste Denkmal, dass ein Mensch bekommen kann, steht in den Herzen seiner Mitmenschen.“
(Albert Schweizer)
Rudolf Priemer war eine Institution in Sachen Heimat-, Kultur- und Denkmalschutz in unserer Region. Doch auch darüber hinaus engagierte er sich vielfältig, z.B. seit der Neugründung des Sächsischen Heimatschutzes 1989/90 im Gesamtvorstand. Mit seinem profunden Wissen brachte er sich in allen Hauptarbeitsgruppen - der Bauberatung, der Volkskunst und dem Naturschutz - ein. In besonderem Maße galten seine Interessen den Vorhaben in der Sächsischen Volkskunde. Seine Aufgabe sah er vor allem darin, die Menschen in Stadt und Land für diese Themen zu sensibilisieren. Unzählige Schriften, Kommentare, Vorträge und Exkursionen dienten diesem Ziel. So schrieb er z.B. im „Rundblick“, der Monatszeitschrift für Kultur und Heimat der Kreise Wurzen, Oschatz und Grimma, zahlreiche Beiträge. In all seinen Publikationen und persönlichen Äußerungen hielt er seine, mit intensiven Recherchen begründete Kritik an Entwicklungen und Zuständen z.B. im Denkmalschutz nicht zurück. Er äußerte sie freimütig, wenn er von der Sache überzeugt war. Seine Meinung wurde gehört und geachtet. Nach der Wende 1989 wurde auch durch seine Initiative der Geschichts- und Altertumsverein zu Grimma e.V. wiederbelebt. Vom ersten Tage an war Rudolf Priemer dessen Vorsitzender. Die Erhaltung der Wassermühle Höfgen wurde in den ersten Jahren der Neugründung eines der wichtigsten Anliegen des Vereins. (Bereits 1976 als Technische Schauanlage eröffnet, war sie zuvor über 20 Jahre eine Außenstelle des Kreismuseums Grimma). Der Verein nutzte die Mühle einige Jahre als Domizil und betrieb sie ideenreich mit Eigentümer Hans-Henning Ruhmer bis zum Hochwasser 2002.
Vor 20 Jahren gründete sich in Höfgen dann der Verein zur Erhaltung der Wassermühle Höfgen e.V. Rudolf Priemer stand dem Verein bis zuletzt mit Rat und Tat zur Seite und war dessen Ehrenmitglied. Nach dem Hochwasser 2002 wurde die Rettung des Grimmaer Stadtgutes und die sinnvolle Nutzung als neues Domizil ab 2006 eines der wichtigsten Anliegen des Altertumsvereins und ihres Vorsitzenden. Die Exkursionen des Vereins führten in den letzten Jahren mehr und mehr zu Sehenswertem in unserer Region. Dabei erwies sich der Name Rudolf Priemer oft als „Türöffner“ auch bei Leuten, bei denen wir gar nicht angemeldet waren. Neben den bereits verstorbenen Heimatkundlern Frau Renate Sturm-
Francke und Herrn Hans Pippig ist der Verlust an heimatkundlicher Kompetenz nicht zu ersetzen.
Lieber Herr Priemer, lieber Rudolf.
So mancher von uns hat einen Zettel mit Stichworten auf seinem Schreibtisch liegen, zu denen er dich bei der nächsten Begegnung fragen wollte. Dein Wissen hast du immer gern und bereitwillig weitergegeben, standest vielen mit Rat und Tat zur Seite. Du brachtest uns das Besondere im Alltäglichen nahe. Gern erinnern wir uns z.B. an deine „Osterspaziergänge“ zu DDR-Zeiten oder die Silvesterwanderungen, bei denen ein Teilnehmer für dich immer eine „Hitsche“ mitbrachte, damit alle dich sehen konnten. Wir vermissen dich jetzt schon, deine liebenswerte Persönlichkeit und dein lebhaftes, hartnäckiges Engagement.
Dr. Aline Hanschmann, Christoph Bode und Antje Möser im Namen der Vereinsmitglieder
Ein Freund des Göschenhauses geht – Zum Tod von Rudolf Priemer
Rudolf Priemer mochte das Alter nicht besonders, zu viele Dinge waren ihm in den letzten Jahren nicht mehr möglich, darum glaube ich, dass er über seinen ruhigen „Abgang“ zufrieden gewesen wäre: Bei einer Operation in Leipzig erwachte er am 19. August 2022 nicht mehr aus der Narkose, nur wenige Tage vor seinem 84. Geburtstag. Kaum jemand, der in Grimma lebt oder sich mit der Stadt an der Mulde beschäftigt, kommt an Rudolf Priemer vorbei. „So war sein Stadtführer auch für mich eine wichtige Stütze, um die Stadt besser kennenzulernen. Später durfte ich ihn dann persönlich kennenlernen. Unvergesslich, wie eine Kollegin und ich von Rudolf durch den wunderbaren Schlosspark zu Machern gescheucht wurden, in seiner typisch „sprudelnden“ Art überhäuft mit Details zur Geschichte und zur Natur. Die dortige Tulpenbaumallee wird für mich immer mit Rudolf verbunden sein. Dabei stets sein unvergleichbarer Humor, der anspruchsvoll war, um alle Wendungen und die feine Satire zu verstehen. Später, als ich die Leitung des Göschenhauses übernahm, machte es sich Rudolf zur Gewohnheit, alle zwei / drei Wochen uns im Göschenhaus zu besuchen. Es war immer ein spannender Gedankenaustausch mit ihm, der die Kultur und Geschichte, aber auch Fauna und Flora wie kaum ein anderer kannte. Dabei blickte er nicht nur auf das Muldental, sondern schaute immer über die Grenzen der Heimat, um gerade dadurch sie besser verstehen, besser einordnen zu können.
Im Zuge einer Publikation zur Lutherdekade – der „Ungläubige“, wie sich Rudolf gerne selbst nannte, war ein exzellenter Kenner der Reformation gab es eine private Stadtführung Rudolfs für den Redakteur und mich. Nie vor- und nachher habe ich so intensiv eine Stadt gedanklich vermessen können, wie in diesen Stunden – selbst das noch in der Sanierung befindliche „Alte Seminar“ schreckte Rudolf nicht ab, uns den Bau zu zeigen, trotz irritierter Blicke der Handwerker. Seine kleine Publikation zum Galgenberg, die ich für das Göschenhaus betreuen durfte, war eine Herzensangelegenheit des geborenen Döbeners. Auch hier kannte Rudolf jeden Stein, jeden Weg, jede Pflanze und jedes Tier. Dabei war es immer wieder erstaunlich, wie er das „Nebensächliche“ zur Hauptsache machen konnte, Dinge aufzeigen, an denen man selbst tausendfach vorbeigelaufen war. Am 23. Juni 2022 saß ich in Rudolfs Wohnzimmer, körperlich ging es ihm nicht gut. Trotzdem sprühte er vor Tatendrang und diskutierte mit mir, was ich noch alles im Museum machen könnte – und er sagte etwas, was mich heute sehr berührt: Ich wäre doch längst kein bloßer Theoretiker mehr, sondern Praktiker. Ein großes Lob aus seinem Mund: Rudolf wollte immer Heimatkunde erlebbar machen, die Menschen mitnehmen und begeistern. An diesem Tag, wo ich Rudolf das letzte Mal sehen durfte, übergab er dem Göschenhaus seine kleine Spielkartensammlung – sie wird nun ein Ehrenplatz im Museum haben“. Eine Persönlichkeit ist von uns gegangen: Ein Heimatforscher, ein streitbarer Geist, ein guter Freund des Göschenhauses. Und ich muss lächeln: Ein wenig höre ich in mir Rudolf, der „Jetzt hör aber auf!“ sagt, war er doch kein Freund von „Lobhudeleien“. Unsere Gedanken sind bei Rudolfs Ehefrau, seinem Sohn und dessen Familie sowie allen Angehörigen und Freunden, die trauern und Abschied nehmen müssen. Ein Mensch, so eine Binsenweisheit, geht nie ganz. Hier trifft es aber zu: Rudolf Priemer wird einen festen Platz in der Geschichte Grimmas, des Muldentals und in unseren Erinnerungen haben.
Im stillen Gedenken Thorsten Bolte