Es war eine der ersten Amtshandlungen des jungen Moritz von Sachsen: Kaum dass der 20-Jährige die Amtsgeschäfte von seinem verstorbenen Vater Heinrich übernommen hatte, verfügte er 1543 den raschen Bau dreier Landesschulen. Der Grund für den Eifer: Das Herzogtum Sachsen stand vor einer Bildungskatastrophe, die auch einem gewissen Martin Luther zu verdanken war. Dessen Thesenanschlag zu Wittenberg anno 1517 war gerade in Sachsen auf großen Zuspruch gestoßen, wo man bald landauf, landab die Reformation eingeführt hatte. Das führte zu einer weitgehenden Abschaffung der Klöster und zur Abwanderung vieler Priester – und damit fiel praktisch das gesamte Bildungssystem in sich zusammen. Die Idee der „Landesschulen“ von Herzog Moritz war also drängend. Bald sollten in Meißen und Pforta bei Naumburg die ersten beiden eröffnen, etwas später wurde auch das Projekt in Grimma umgesetzt.
Das Kloster wird Schule
Im September 1550 waren schließlich auch die Räume im verlassenen Kloster der Grimmaer Augustiner-Eremiten bezugsfertig. Unterrichtsräume, Speisesaal und auch ein Karzer standen bereit, um die ersten Schüler aufzunehmen. Die schliefen in den früheren Mönchszellen und wurden von anfangs vier Lehrern betreut. Die Unterrichtssprache war Latein und sollte es auch über Jahrhunderte bleiben – „das war nun mal die Sprache der Wissenschaft“, erklärte Volker Beyrich und fügt hinzu, dass „die Jungen bis 1773 auch untereinander nur Latein sprechen durften“. Der ehemalige Lehrer Beyrich hatte 1958 an der Schule sein Abitur gemacht und später bis zu seinem Ruhestand hier unterrichtet. Gemeinsam mit seiner Kollegin Martina Bloi, die mit ihm einst Deutsch und Geschichte unterrichtete, hütete er bis zum Tod im Jahr 2023 das Archiv. Immer wieder führte Volker Beyrich Gäste durch die ehrwürdigen Gemäuer der Landes- oder „Fürstenschule“. Zwar sind es nicht mehr die mittelalterlichen Klostermauern, doch auch der gewaltige Neorenaissancebau von 1891 ist durchaus beeindruckend. Die Decken sind aufwendig bemalt und erinnern an einen Kreuzgang. Im strahlend schönen „Kleinen Festsaal“ kann man Volker Beyrichs Erzählungen aus längst vergangenen Zeiten auf das Beste folgen. Jedenfalls bis der Pausengong ertönt. Dann wird klar, dass die neuen Zeiten das historische Umfeld längst erobert haben: Latein ist heute offenkundig nicht mehr angesagt im Pausenlärm. Zeit für einen Szenenwechsel.
Große Namen an der Mulde
Nur einen Steinwurf entfernt öffnen sich die Pforten zum Kreismuseum Grimma. Das widmet der traditionsreichen Schule eine ganze Ausstellung, und auch ihren berühmten Schülern. Historische Fotos und Gemälde sowie etliche Originaldokumente lassen das Leben an der Fürstenschule mit ihrem Internat über viele Jahrhunderte lebendig werden. Klar wird vor allem, dass die Anforderungen an die Schüler ebenso hoch waren wie deren spätere Karriereaussichten. Auch wenn viele Namen heute kaum mehr bekannt sind, haben etliche Absolventen der „Kaderschmiede“ großen Einfluss auf die Geschicke der Region gehabt. Nikolaus Crell etwa, der 1571 die Schule verließ, brachte es zum Geheimen Rat und Kanzler Kursachsens, er verfolgte ehrgeizige politische Ziele. Paul Gerhardt, der wohl bekannteste evangelische Liederdichter, ging ebenso in Grimma zur Schule wie Samuel Freiherr von Pufendorf, der später als Naturrechtsphilosoph und Historiker zu einem Vordenker der Aufklärung werden sollte. Und auch wenn die einstige „Fürstenschule“ in Grimma heute ein Gymnasium ohne besondere Privilegien ist – ein außergewöhnlicher Ort der Bildung wird sie wohl immer bleiben.