Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2019 erinnert das Oldenburger Institut für sprachliche Bildung isb. mit einem ganz besonderen Zeitzeugnis an die Jahrzehnte, in denen der Osten und Westen Deutschlands getrennte Wege gingen. Unter dem Titel „Immer das olle Gekritzel“ ist jetzt ein Lese-Bilderbuch in großer Schrift mit Abbildungen von zahlreichen illustrierten Grußkarten und Dankesschreiben an die „West-Verwandtschaft“ aus den Jahren 1951 bis 1991 erschienen. Sie stammen von der sächsischen Künstlerin Dora Fritsche (1907-1991).
Die kunstvollen, mit vielen Augenzwinkern gezeichneten Selbstporträts sind flankiert durch doppeldeutige Texte und Gedichte. Sie geben lebendige Einblicke in den damaligen DDR-Alltag und sind ein Genuss für Karikatur- und Sprachfans.
Fritsche wurde in Düsseldorf als sechstes Kind in eine großbürgerliche deutsch-russische Kaufmannsfamilie hineingeboren, galt in ihren Jugendjahren als künstlerisch begabtes „enfant terrible“. 1937 begann die unkonventionelle junge Frau, als technische Zeichnerin für den Rüstungsbetrieb „Rheinmetall“ zu arbeiten, der in den letzten Kriegsjahren nach Sachsen ausgelagert wurde. Bis zu ihrem Tod im Mai 1991 wohnte Dora Fritsche im Stadtteil Hohnstädt der Stadt Grimma im heutigen Landkreis Leipzig, während ihre Verwandtschaft mehrheitlich „im Westen“ lebte.
Hintergründige Einblicke in den DDR-Alltag
„Diese deutsch-deutsche Familienkorrespondenz ist für alle Leserinnen und Leser spannend, die die damalige Zeit miterlebt haben, aber auch für jüngere Menschen interessant, die sich nur schwer vorstellen können, wie grundlegend Pakete, Postkarten und Briefe für den Familienzusammenhalt über die Mauer hinweg waren. Das Lese-Bilderbuch bildet nur einen kleinen Teil des bisher unveröffentlichten Schaffens einer außergewöhnlichen Frau ab, die ein ungebeugter, authentischer Mensch war“, sagt der in Oldenburg lebende Neffe der Künstlerin, Dr. Michael Fritsche.
Gemeinsam mit isb.-Leiterin Dr. Dorothea Thomé hat er das „Kunstwerk auf Postkarten“ herausgegeben. „Wir haben die Texte an schwierigen Stellen geglättet oder gekürzt, immer im Bemühen, den wunderbaren Sprachwitz von Dora Fritsche zu erhalten. Zur besseren Lesbarkeit sind die Texte in sehr großer Schrift ohne Blocksatz und lange Sätze abgedruckt“, erklärt Thomé.
Bibliographische Angaben zum Buch
„Immer das olle Gekritzel“, Dora Fritsche, ein Kunstwerk auf Postkarten: Lese-Bilderbuch für Erwachsene, herausgegeben von Michael Fritsche, Dorothea Thomé, Institut für sprachliche Bildung – Fachverlag Lesen und Rechtschreiben, Oldenburg (Oldb.), 2019, 96 Seiten, ISBN 978-3-94212230-6, Euro 9,80